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TRAUMWELTEN - Ein anderer Sommernachtstraum
Mit Kathrin Göring, Ines Agnes Krautwurst (Gesang) und Stephan König (Klavier)





Vom Zauber rund um die Blaue Blume
"Ein anderer Sommernachtstraum" in Mendelssohns Gartenhaus
Anrührend, aber schwer zu beschreiben. Ein Liederabend? Es wird auch gesprochen - Auszüge aus Novalis' "Heinrich von Ofterdingen" und Paul Scheerbarts "Ein Hexenmärchen" bilden die verknüpfenden Elemente. Ein Mini-Singspiel? Dafür sind die musikalischen Stilrichtungen zu vielfältig - klassisches Lied, Jazz, Text über improvisierter Musik. Also eine Revue en miniature? Der Abend ist viel zu wenig auf Äußerlichkeiten angelegt, das Programm funktioniert eher im Kopf der Zuschauer, die an diesem Mittwoch das Dachgeschoss im Gartenhaus des Mendelssohnhauses bis in den letzten freien Winkel ausfüllen. Hörspiel live vielleicht? Auch das trifft es nicht, denn dann würde man die durchgehaltene Körperspannung, die dezente Mimik und sachte Gestik der beiden hervorragenden Protagonistinnen Kathrin Göring und Ines Agnes Krautwurst ignorieren. Crossover? Mmh... Langsam dämmert es, dass "Ein anderer Sommernachtstraum" nicht nur Titel ist, sondern auch die Form beschreibt. Denn irgendwann folgt man der Handlung rund um die "Blaue Blume" nicht mehr im Detail. Man taucht in die Bilder ein. Und obwohl man nicht weiß, wovon die italienischen oder englischen Gesangstexte handeln, fügt sich alles zu einem phantastischen, erdfernen, luftigen, schlüssigen Ganzen. Ein Traum eben. Eine echte Entdeckung sind dabei die Lieder des Italieners Giuseppe Martucci, einem Zeitgenossen von Gustav Mahler, Lehrer von Respighi und Anwalt Wagners in Italien. Stilistisch klingt das wie eine Mischung aus den dreien - kontrapunktisch verwoben, aber doch sanglich. Üppig, aber doch oft mit rhythmisch verspielter Leichtigkeit. Mezzosopranistin Göring ist die ideale Interpretin dafür. Sie gibt dem Ganzen einen natürlichen Schmelz, ohne jemals die Kitschgrenze zu überschreiten. Sie singt sich trotz trockener Akustik und stickiger Luft schnell frei und taucht die traumhafte Poesie Rocco Pagliaras in die passenden warmen oder pastellenen Nuancen. Ines Agnes Krautwurst zeigt ganz andere Seiten, nutzt die künstliche Verstärkung des Mikrophons für konsonantische Effekte, lotet sowohl beim Singen von rauchigen Jazz-Songs als auch beim Sprechen der märchenhaften Texte die Grenzen ihrer Stimme aus und gibt diesem Sommernachtstraum Ecken, Kanten und erdverbundene Körperlichkeit. Stephan König am Klavier findet einfühlsam die richtigen Klänge, unter- und übermalt, mischt sich motivisch ein, gibt Wort und Ton ein festes rhythmisches Korsett. Seine Kompositionen auf Texte von Gottfried Benn und Rainer Maria Rilke holen den Zuhörer auf angenehme Art aus dem fernen 19. Jahrhundert wieder ins hier und heute. Und was ist mit Felix? Der Abend ist schließlich Teil der Mendelssohnfesttage. Sein Geist schwebt ohnehin durch das Gartenhaus. Und bei den luftigen, elfengleichen Farbtupfern aus dem Mendelssohnschen Sommernachtstraum in Königs Klavierimprovisationen glaubt man fast, den Komponisten verträumt hinter dem Flügel stehen zu sehen. Anrührend.
Tobias Wolff, Leipziger Volkszeitung, 28.08.09